„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ – dieser Satz fällt mir in diesen Tagen und Wochen immer häufiger ein. Vielleicht nicht nur mir, sondern auch Ihnen. Diese Zeit hat viel mit aufschieben zu tun, vor allem was Festgottesdienste in unserer Kirchengemeinde angeht. Aber: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ich denke da vor allem an unsere Jubelkonfirmation, die an diesem Sonntag in Wendelstein gefeiert worden wäre. Ich denke auch an die aktuellen Konfirmandinnen und Konfirmanden, die nicht wie anfangs geplant ihre Konfirmation feiern können.
Der Palmsonntag lässt mich jedes Jahr neu über meinen Konfirmationsspruch nachdenken: Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, so schreibt es Paulus im Brief an die Römer (Röm 1,16). Vor 15 Jahren habe ich diesen Vers zugesprochen bekommen bei meiner Konfirmation – am Palmsonntag. Seit diesem Tag begleitet er mich.
Das Evangelium bietet für uns Christinnen und Christen Trost in schweren Zeiten, wenn wir enttäuscht sind, weil wir unser Fest noch nicht feiern können; wenn wir gerne Menschen sehen würden, die uns ans Herz gewachsen sind; wenn wir von Angesicht zu Angesicht reden wollen, aber nicht können, weil wir einander schützen möchten. Vieles ist anders gerade jetzt in dieser Passionszeit, weil gewohnte Andachten und Gottesdienste ausfallen, die doch ein wichtiger Bestandteil unseres gelebten Glaubens sind und unserem Jahr Struktur geben.
Das Evangelium bietet uns Hoffnung. Denn durch das Evangelium fühlen wir uns von Gott angesprochen. Die gute und frohe Botschaft Gottes erreicht uns in diesen Tagen vielleicht noch stärker im Alltag als sonst, weil mich manche Texte der Bibel in dieser Zeit besonders ins Nachdenken bringen; weil mir die Angst genommen wird durch den Spruch Jesu: In dieser Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. (Joh 16,33) Ich darf darauf vertrauen, dass Gott an meiner Seite ist, dass ich ihm alles vor die Füße werfen kann, was mich bedrückt, und er meine Angst in Freude wandeln wird. Ich habe die Hoffnung, dass diese Zeit vorübergehen wird und wir uns wieder begegnen können bei Festen und Feiern, im Gottesdienst und bei Besuchen. Diese Hoffnung spüre ich gerade auch in den Gesprächen am Telefon oder bei den anderen Möglichkeiten, wie wir als Kirchengemeinde in Kontakt sind. Gerade jetzt öffnen sich neue Wege, Gottes Wort zu hören und zu verbreiten, dass wir eben nicht auf Andachten verzichten müssen, dass nicht alle Kontakte abgebrochen sind. Das macht mir Mut!
Das Wort Gottes sucht sich seinen Weg. Es will uns auch in dieser Zeit erreichen. Da gilt nicht einmal der Spruch „aufgeschoben ist nicht aufgehoben“. Es ist so kräftig, dass es auch jetzt zu uns durchdringt und Hoffnung, Mut und Trost spendet. Sogar noch mehr: Es schenkt uns Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, die nicht nur von Angesicht zu Angesicht gelebt werden kann, sondern auch wenn wir uns sonntags im Feiern der Andacht verbunden fühlen, auf die Glocken horchen und gemeinsam Gott anbeten. Ich hoffe, dass dieses Gefühl der Verbundenheit über diese Zeit hinaus Bestand hat und bleibt.
Im Bibelwort für den Palmsonntag wird davon erzählt, wie eine Frau Jesu Füße wäscht und mit teurem Salböl pflegt. Sie erweist Jesus eine Wohltat. Sie nutzt den Moment, der für die Jünger und alle Anwesenden nicht erkennbar ist. Natürlich meinen es die Jünger gut, wenn sie sagen: „Das Geld für das Öl hättest du lieber den Armen gegeben.“ Aber Jesus lehrt sie auch in diesem Moment: „Ihr habt allezeit Arme bei euch, mich nicht. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.“ Diese Frau hat das Leiden und Sterben Jesu erkannt und bekannt. Sie hat Nächstenliebe geübt an dem, der Nächstenliebe lebte und predigte. Sie hat die Chance genutzt, die ihr zur Verfügung stand: Gott die Ehre zu geben und das Evangelium zu leben und Christus nachzufolgen, indem sie das tat, was nicht aufgeschoben werden kann.
Sie hat die Kraft des Evangeliums gespürt, von der auch Paulus spricht. Es ist diese Kraft, die auch wir gerade spüren und neue Wege gehen lässt, die Botschaft zu verbreiten. Es ist die Kraft, in der wir vereint sind als gläubige Christinnen und Christen, die uns selig machen wird, die uns Hoffnung gibt und sagt: aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Möge uns alle diese Hoffnung tragen durch diese Zeit und durch unser ganzes Leben. Möge sie uns Kraft geben, wenn wir zweifeln und Angst haben. Möge sie uns im Glauben vereint halten, damit wir wieder in Gottesdiensten, Festen und der Gemeinschaft bekennen können: Gott ist bei uns mit seinem Segen vom ersten Tag unseres Lebens an.
Gott befohlen, Ihr Vikar Tobias Wölfel.