Gedanken zum Sonntag Misericordias Domini

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Es ist der Sonntag des guten Hirten und an ihm wird das wohl bekannteste Bild für Gott aufgegriffen. Noch heute lernen Grundschüler, und natürlich auch die Konfirmandinnen und Konfirmanden den Psalm 23: der Herr ist mein Hirte. Mein Eindruck ist, dass es nach wie vor auch der beliebteste Psalm ist. Der Hirte kommt zwar in unserem Alltag kaum mehr vor, aber doch verstehen viele noch unmittelbar, was damit ausgedrückt werden soll. In eindrücklichen Bildern beschreibt der Psalm die Fürsorge Gottes.

„Der Herr ist mein Hirte“ – damit geht dieses Gebet los. So manche sagt mir, sie wolle kein Schaf sein und das meint vor allem: kein dummes Schaf. Dabei sind Schafe wohl aufgeschlossene, gesellige und kontaktfreudige Tiere, die in der Lage sind, Emotionen zu zeigen, und sie besitzen wie alle anderen Lebewesen auch eine eigenständige Persönlichkeit.

Untersuchungen ihres Gehirns haben bewiesen-so habe ich es gelesen, dass sie bewusste Entscheidungen treffen können. Schafe können sich Gesichter von Menschen und auch anderen Schafen merken und vieles andere auch. Schafe sind lernfähig und sind sogar in der Lage Fehlentscheidungen zu korrigieren oder aus Fehlern zu lernen. Wenn ich das immer so von mir sagen könnte…

Für mich ist es ein schönes Bild, dass Gott als Hirte sich mit großer Sorge und Fürsorge um seine Schafe, also uns kümmert. Er hat unser Wohlergehen auf dem Herzen. Viele von uns kommen –glaube ich- schon immer wieder an den Punkt, wo sie sich trotz mancher Bestrebungen nach Unabhängigkeit und Freiheit auch wünschen, da möge es jemand gut mit einem meinen, so dass man sich einfach anvertrauen kann und weiß: alles wird gut. Allerdings: Hilfe und Fürsorge zuzulassen ist nicht immer einfach. Aber sie kann doch guttun, wenn diese Liebe einen nicht klein macht oder in Hilflosigkeit führt. Die Liebe Gottes baut uns auf und macht groß.

„Mir wird nichts mangeln“ – so geht der Psalm weiter. Den Satz habe ich bisher immer ohne Probleme mitgesprochen. Aber eigentlich, wenn ich darüber nachdenke, kennen wir alle doch auch die Erfahrung des Mangels-oder das Gefühl der Leere, oder vielleicht des zu kurz gekommen Seins. Ich denke an handfeste Dinge wie Mangel an Nahrung oder Wasser. Aber es gibt auch Mangel an Liebe und Geborgenheit. Mangel an Sicherheit oder Vertrauen.

Wie oft haben wir dieses Bekenntnis schon gesprochen? Manche ja immer und immer wieder. Es ist ein Satz, der mich dahin führt darüber nachzudenken, was ich denn meine, im Leben zu brauchen, oder was und wer denn zu meinem Leben unbedingt dazu gehört, und es darum erfüllt macht. Und diese Frage wird jeder und jede für sich anders beantworten. Ich kenne Menschen, die so unglaublich zufrieden und dankbar sind für die vermeintlich kleinen Dinge des Lebens, dass es mich immer wieder demütig macht dies wahrzunehmen.

Wichtig ist mir dabei – dieser Satz ist ein Gebet, und eine Selbstaussage. Der Beter, die Beterin erhebt nicht den Anspruch für alle zu sprechen, sondern spricht Worte aus, die ihr oder ihm auf dem Herzen liegen und darum stimmen.

Spannend finde ich an diesem Satz auch, dass er nicht nur ein Bekenntnis der Vergangenheit oder Gegenwart ist, sondern eine Vertrauensaussage auf Zukunft hin, d.h. für mich: Auf diesen Hirten will ich mich einlassen, weil ich darauf vertraue, dass er es gut mit mir meint. Da werden sich im übertragenen Sinne frische Wasserstellen auftun, die Geist und Leib erfrischen und mich weiterbringen. Da gibt es das pralle Leben auf saftigen Wiesen. Und das empfinden wir als schön und hinterfragen es meist nicht, warum es uns gerade gut geht. In anderen Zeiten stellen sich oft mehr Fragen. Denn auch das gehört zur Wahrheit: die dunklen Täler gibt es ebenfalls. Das ist so, sagt der Psalm. Sie zu durchwandern bleibt keinem erspart. Und wenn wir die Worte sprechen, dann fallen uns womöglich sofort diese dunklen Täler wieder ein. Viele mögen auch diese Zeit jetzt als dunkles Tal empfinden. Jetzt geht es aber um die Frage, wie komme ich da hindurch? Kein Unglück zu fürchten ist schon eine steile Aussage. Warum Beter/Beterin oder wir dieses Wort sprechen können? Weil es womöglich eine Erfahrung der Vergangenheit gibt, wo Gott uns berührt hat und uns eine Kraft von ihm zugewachsen ist. Und diese Erfahrung lässt Betende das sprechen: ich weiß, du bist auch jetzt bei mir, du wirst jetzt auch wieder bei mir sein und ich kann deine Kraft in mir spüren und den Weg weitergehen.

Vielleicht können wir es nicht immer so vollmundig vortragen, dann mag es manchmal auch nur eine Klage sein und eine Bitte: sei doch bei mir, bitte. Ja, manchmal mag es nicht die Erfahrung sein, die uns das Psalmwort sprechen lässt, sondern eine große Sehnsucht nach Nähe, Geborgenheit und Fürsorge Gottes. Bei Gott sind wir mit unserer Sehnsucht ganz sicher an der richtigen Stelle.

Wie wäre es diesen Psalm in der kommenden Woche jeden Tag zu beten? Morgens, abends? Vielleicht mögen sie, wie unsere Konfirmanden die Gedanken des Psalms in ihren eigenen Worten ausdrücken und aufschreiben? Schön wäre auch, wenn sie mir oder uns das schicken.  Seien sie behütet!

Ihre Pfarrerin Alexandra Büttner