Gedanken zum Sonntag nach Ostern von Kilian Brandenburg

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Hebt eure Augen in die Höhe und seht! (Jes 40,26) Wie geht es Ihnen? Wir haben schönes Wetter, der Frühling ist da, die Sonne scheint, es wird warm. Eigentlich die richtige Zeit rauszugehen, etwas zu unternehmen, ins Grüne zu fahren. Eigentlich die richtige Zeit, die Natur zu genießen, zu wandern, sich in eine Biergarten zu setzen, in einem Ausflugslokal ein schönes Essen zu genießen! Eigentlich die richtige Zeit, um sich mit Freunden zu treffen, zu grillen, zu feiern, fröhlich zu sein...

Ja, eigentlich, eigentlich wäre die Zeit für all das.

Doch die Realität sieht in diesem Jahr anders aus: Ausgangsbeschränkungen. Nur wer einen wichtigen Grund hat, sollte das Haus oder die Wohnung verlassen. Kein direkter Kontakt zu Freunden, zu Familienangehörigen, die nicht im selben Haushalt leben. Und das nun schon seit Wochen und es wird noch einige Wochen so bleiben...

Die Natur können wir im Garten genießen oder bei einem einsamen Spaziergang in der direkten Umgebung. Die Biergärten und Wirtschaften bleiben geschlossen, Treffen finden über Facetime, Skype oder anderen Videoportale statt, so man die erforderliche Technik hat. Ansonsten sollen wir uns abschotten. Auch Gottesdienste gibt es keine.

Und bei dem einen oder der anderen kommt die Sorge um den Arbeitsplatz dazu. Manche wurden in Kurzarbeit geschickt. Alle Pläne und alle Planungen für die nächsten Monate wurden zunichte gemacht: Kein Osterurlaub in der Ferne, auch der Pfingsturlaub ist unsicher, wird wohl zu Hause erfolgen.

Wer hat mit so etwas gerechnet? Das hat doch keiner so gedacht...

Wie geht es Ihnen in dieser Situation? Ich merke, dass ich müde werde, kraftloser. Zwar gehe ich arbeiten, doch im wöchentlichen Wechsel; ich bin eine Woche zu Hause und dann eine Woche arbeiten. Der Alltag ist anders. Die Kinder sind auch zu Hause und können sich nicht mit Freunden treffen, müssen mit der Situation klar kommen.

Was macht diese Situation mit uns? Was macht sie mit mir? Was macht sie mit Ihnen?

Manche Menschen sind dauerhaft müde. Sie bewegen sich mühsam durchs Leben, sind mit ihrer Kraft am Ende. Gehören Sie auch dazu?

Dann geht es Ihnen nicht viel anders als den Israeliten im babylonischen Exil und auch nicht viel anderes als den Jüngern kurz nach Ostern. Das Volk Israel ist seit Generationen in einem fremden Land. Die Israeliten fühlen sich von Gott bestraft für ihren Ungehorsam, Resignation macht sich breit.

Die Jünger haben sich eingesperrt, sie hatten Angst. Ihr bisheriges Leben war zusammengebrochen, nachzulesen im Johannesevangelium, Kapitel 20, Verse 19-29. Und Jesus tritt in ihre Mitte: „Friede sei mit euch!", so grüßt er sie. Nur Thomas, der nicht dabei war, glaubt den Berichten der andern nicht. Er will mit eigenen Augen sehen. Und er darf mit eigenen Augen sehen. Und dann er sagt: „Mein Herr und mein Gott."

Geht es uns wie Thomas? Fällt es uns schwer, gerade auch angesichts der aktuellen Situation, einfach zu glauben? Zu glauben an die Zusage, die wir bei Jesaja heute lesen? Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden. (Jes 40,29-31)

Woran mag es liegen, dass wir dieser Zusage nicht leicht vertrauen? Es könnte an falschen Erwartungen Gott gegenüber liegen. Es könnte damit zusammenhängen, dass Menschen sich Gott vorstellen wie eine schnell wirksame Tablette: „Da ist ein Konflikt. Da ist ein Problem. Da ist unsere Müdigkeit. Dann schnell mal ein Gebet. Und schon sollte alles wieder im Lot sein."

Viele haben derartige Erwartungen an Gott und ein entsprechendes Bild von ihm im Kopf: Gott, der schnelle, übernatürliche Helfer. Und wenn er das nicht bringt, wenn er das in der Vergangenheit schon nicht so gebracht hat, dann schreiben wir ihn ab! Wir leben heute in der Welt des Knopfdrucks oder Mausklicks. Ich habe ein Bedürfnis. Ich drücke einen Knopf. Und schon wird die Wäsche gewaschen, der Kaffee zubereitet, die Nachricht verschickt usw.

Ich fürchte, mit dieser „Knopfdruckerwartung" begegnen Menschen heute auch unserem Gott und seinen Zusagen. Aber das ist ein großes Missverständnis. Das mit dem Knopfdruck ist UNSER Lebensgefühl, nicht Gottes Weg, jedenfalls in den allermeisten Fällen. Gott tickt anders. Er will nicht „auf die Schnelle" unser Helfershelfer sein wie eine Art Service-Dienstleister. Sein vorrangiges Interesse an uns ist, dass wir ihm als unserem Gott grundsätzlich vertrauen, dass wir uns nachhaltig an ihn binden, auf lange Sicht, dass wir uns immer fester und enger an ihn binden, und so Ewigkeit gewinnen, Ewigkeit bei und mit Gott.

Denken wir an Ostern! Gott hat durch die Auferweckung Jesu nicht einfach „mal schnell" das Problem von Karfreitag repariert. Jesus hat nicht einfach weitergelebt. Sondern Gott hat Jesus in die Ewigkeit hinein auferweckt.

Darum geht es ihm auch bei uns: Indem wir uns fest an Gott binden, ihm und seiner Macht vertrauen, gewinnen wir Ewigkeit. Und das strahlt dann hinein in den konkreten Alltag. Gott vertrauen heißt zu wissen: „Ich werde ewig geliebt und angenommen sein." – „Und das gibt mir Kraft heute, hier und jetzt. Das baut mich auf, das gibt mir Flügel, gerade wenn ich mich müde und fertig fühle."

Doch das alles funktioniert eben nicht per Knopfdruck. In unserem Text heißt es: Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft. Dieses Harren lässt sich gut übersetzen mit „vertrauen und warten können". Gott lässt sich nicht hetzen. Ohne die Bereitschaft, zu warten, werden wir regelmäßig frustriert sein und in unserm Glauben enttäuscht werden.

Manchmal geht es in den Kämpfen des Lebens schlicht darum, festzuhalten an Gott, mit dem Vertrauen weiterzumachen, nicht damit aufzuhören.

Und wenn wir derart „harren", also „vertrauen und warten können", dann werden wir auch besondere Zeiten mit Gott erleben. Momente, in denen wir spüren: Jetzt hat Gott mich aufgerichtet! Vielleicht anders als ich es vorher erwartet hatte, aber Gott hat mich in meiner Müdigkeit neu gestärkt. Manchmal sogar so intensiv, dass ich wirklich denke, ich fliege wie ein Adler. Gott schenkt uns solche Momente, in denen wir wieder Frieden bekommen. Wir kriegen wieder Boden unter den Füßen. Neue Energien fließen uns zu. Gerade in einer Zeit, in der das gesellschaftliche Leben still steht.

Vielleicht ist ja jetzt gerade die Zeit, dieses Vertrauen auf Gott (neu) einzuüben. Das Vertrauen zu lernen, Gott ist auch jetzt – gerade jetzt – bei mir!

Möge Gottes Kraft in diesen Tagen mit uns sein, so dass wir laufen und nicht müde werden!