Jesu Auferstehung
1 Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.
2 Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging.
3 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?
4 Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.
5 Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich.
6 Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.
7 Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.
8 Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.
Liebe Gemeinde,
Der Herr ist auferstanden! – Er ist wahrhaftig auferstanden. Das feiern wir heute. Wir feiern: Das Leben ist stärker als der Tod. Wir feiern: Gottes Liebe besiegt den Hass der Menschen. Wir feiern: Gott will, dass wir leben.
Seit 2000 Jahre tun das. Seit 2000 Jahren erklingt diese Botschaft bei den Christen. Und seit 2000 Jahren gibt es auch unendlich viele Fragen und unendlich großen Zweifel. Und trotzdem: Ist Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich (1.Kor 15,14), sagt es Paulus. Ja, ohne die Auferstehung Jesu wäre all das, was wir hier in der Kirche machen sinnlos: unsere Gottesdienste, unsere Kirchenmusik, unsere Predigten und Gebete. Ja, nicht einmal den Sonntag als Feiertag hätten wir, den Auferstehungstag des Herrn.
Letztlich würde es uns ohne die Auferstehung Jesu gar nicht geben. Es gäbe keine Christen, es gäbe keine Kirche, es hätte keinen Paulus, keinen Augustinus, keinen Luther, keinen Sebastian Bach, keinen Dietrich Bonhoeffer gegeben. Wäre Jesus nicht auferstanden, dann wären die Jünger wieder zurück in ihre Dörfer, sie hätten wieder ihr altes Leben aufgenommen. Jesus wäre eine Episode in ihrem Leben gewesen und niemand würde heute mehr von ihm reden.
Aber Jesus ist auferstanden. Jesus ist in ihre Trauer, in ihre Niedergeschlagenheit hinein auferstanden und hat sie wunderbar verwandelt. Aus Trauernden wurden Frohe. Aus Zweiflern Glaubensgewisse. Aus Geängstigten wurde Mutige. Jesus ist ihr Leben hinein auferstanden, so wie er in unser Leben hinein auferstehen will.
Deshalb ist unser Evangelium heute auch keine Erzählung von früher, von längst vergangenen Zeiten, sondern es ist eine Erzählung von unserem Leben, von deinem und meinem. Die Auferstehung Jesu – sie ist nicht einfach irgendwann einmal vor fast 2000 Jahren geschehen. Nein, sie geschieht immer wieder aufs Neue. Jesus will bei uns, in unserem Leben auferstehen. Unser Osterevangelium ist eine Geschichte, die uns mitnehmen will auf den Weg der Auferstehung. Eine Geschichte, die uns ruft, dass wir aufstehen, dass wir uns aufmachen hinein ins Leben.
Alles beginnt da mit einer liebenden Sehnsucht. Warum haben sich diese drei Frauen: Maria Magdalena, die andere Maria und Salome auf den Weg gemacht? Warum stehen sie am Ende der Nacht auf und gehen zu Jesu Grabstätte, während die Männer offenbar ängstlich in ihren Häusern sitzen bleiben? Die drei Frauen wollen Jesus einen letzten Liebesdienst erweisen. Mit wohlriechenden Ölen wollen sie ihn salben. Den, bei dem sie das wahre Leben gefunden haben, können sie nicht einfach im Grab liegen lassen. Ihre Liebe zieht sie hin zu ihm.
Alles beginnt mit der liebenden Sehnsucht. Kennst du diese liebende Sehnsucht nach wahrem, tiefen, erfüllten Leben, bei dem es mehr gibt als wir sehen und messen können. Kennst du diese Sehnsucht, die dich vielleicht heute hierher, die dich hoffentlich irgendwann zu Jesus gezogen hat. Diese Sehnsucht nach Gott. Wie leicht kann diese Sehnsucht im Leben verschütt gehen! Ostern will diese Sehnsucht wieder wecken. Auferstehung! Aufstehen! Im Griechischen ist das das gleiche Wort. Steh also auf aus dem Trott, steh auf aus der Gewohnheit, steh auf aus deiner Traurigkeit. Spüre wieder deine Liebe zu Gott mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit allen Kräften und mit ganzem Gemüt! Alles beginnt in der Ostergeschichte mit der liebenden Sehnsucht.
Die drei Frauen stehen auf, machen sich auf dem Weg, sehr früh als die Sonne aufging. Ja, an Ostern geht die Sonne auf. Was ist das nicht für ein großartiges Schauspiel, der Aufgang der Sonne! Jeder Morgen ist eine Erinnerung an die Auferstehung Jesu. Es bleibt nicht Dunkel. Es kommt das Licht. Du bleibst nicht im Dunkeln. Du gehst ins Licht.
Die drei Frauen gehen, sind schon längst auf dem Weg, wissen aber gar nicht, wie sie ins Grab kommen sollen. Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Fällt ihnen das jetzt erst ein? Haben sie sich nicht schon vorher Gedanken gemacht? Das hätten sie doch wissen müssen. Oder sind sie einfach trotzdem gegangen, in der Hoffnung irgendwie wird sich das Problem schon lösen. Klar, hätten sie im Vorfeld alle Probleme lösen wollen, sie wären nie losgelaufen.
So ist es, liebe Gemeinde, auf dem Weg ins Leben, auf dem Weg der Auferstehung. Man muss sich einfach mal aufmachen, ohne vorher schon alle Fragen gelöst zu haben. Wer meint, er könne erst glauben, wenn er auf alles eine Antwort hat, wenn alle Rätsel gelöst sind, wird das Licht der Auferstehung nie sehen.
Da ist nun dieser Stein. Dieser große, scheinbar unbewegliche Stein. Er ist das Symbol für die Blockaden, die einen am Leben hindern. Viele kennen dieses Gefühl, dass da ein Stein ist, der einen nicht leben lässt. Ballast aus der Vergangenheit: Verletzungen, Wunden, Erschütterungen. Der Stein vor dem Grab ist auch der Stein, der auf deinem Herzen liegt.
Das Wunder der Auferstehung ist, dass dieser Stein weggewälzt wird. Die Last, die dich am Leben hindert, wird weggerollt. Ein Engel ist es. Der Bote Gottes. Der Jüngling, der im Grab auf die drei wartet. So kann das im Leben manchmal sein, da wird einer von Gott geschickt und ohne richtig zu wissen, was geschieht, ist der Stein auf deinem Herzen weggerollt.
Die drei Frauen gehen ins Grab und sehen den Jüngling im weißen Gewand. Sie erschrecken. Kein Wunder. Gott zu begegnen oder auch nur einen Boten Gottes löst in der Bibel fast immer Erschrecken aus. Seine Botschaft: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Das ist heute auch die Botschaft an uns: Habt keine Angst mehr! Jesus lebt. Er ist auferstanden.
Wohlgemerkt: Die drei Frauen begegnen im Markusevangelium dem Auferstanden selber nicht. Sie begegnen nur dieser Botschaft von der Auferstehung. Wie auch wir! So gerne hätten wir etwas Handfestes, Beweisbares, Vorzeigbares. Doch auch dieses Grab ist leer. Die Auferstehung führt uns über alles Materielle und Begreifbare hinaus. Wir haben nur Worte. Wir haben nur eine Botschaft: Christus ist auferstanden. Aber in diesen Worten liegt die ganze Kraft unseres Glaubens.
Und nun geht zu seinen Jüngern und zu Petrus, und sagt ihnen, dass Jesus euch nach Galiläa vorausgehen wird. Dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch versprochen hat, sagt der Jüngling. In Galiläa also soll es sein. In Galiläa, wo alles anfing. In Galiläa, wo sie miteinander gegessen, gefeiert, gebetet und geredet haben. Galiläa, das ist der gewöhnliche Alltag. Das normale Leben. Dorthin werden sie geschickt.
Liebe Gemeinde: Der Weg der Auferstehung führt uns mitten hinein in unser alltägliches Leben. Es ist gut, wenn es in einem Leben besondere Tage gibt, in denen große Steine weggewälzt werden, das Herz mit Licht erfüllt wird und leuchtende Engel einen begegnen. Das können besondere Begegnung mit Menschen sein, ein befreiendes Wort, ein Gottesdienst vielleicht, oder ein Lied, Momente großer Freude oder auch des Erschauderns. Es ist gut und unendlich wertvoll, wenn du solche besonderen Tage kennst.
Aber der Weg der Auferstehung geht wieder zurück ins normale Leben. In dein Galiläa. Dort wird dann alles so sein, wie es war, und es wird auch wieder nichts mehr so sein, wie es war, weil du das Leuchten der Auferstehung mitbringst. Weil du aufgestanden bist, Jesu zu suchen und weil du mit der Botschaft in dein Galiläa kommst, dass du ihm dort begegnen wirst, ihm unseren Herrn. Das ist die österliche Botschaft: Jesus lebt. Und er wird dir begegnen. Er wird in dir auferstehen und bei dir sein, wo immer du auch bist. Der Auferstandene spricht: Und siehe ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt. (Mt 28,20)
Unsere Ostererzählung hat einen eigenartigen Schluss. Die drei Frauen fliehen und zittern. Sie trauen sich nichts von ihren Erlebnissen zu erzählen. Verständlich vielleicht. Wie ist das mit uns? Wie oft trauen wir uns nichts zu sagen und auch nichts weiterzusagen. Von unserem Glauben. Von unserer Wahrheit. Von der Auferstehung unseres Herrn. Wie oft schweigen wir, wo wir reden sollten.
Aber selbst das, selbst das Schweigen der Frauen hat die Osterbotschaft nicht aufhalten können, wie wir heute ja merken. Die Kraft der Auferstehung ist stärker als all unser Schweigen, stärker als all unsere Zweifel, stärker als all unsere Angst, ja stärker als der Tod. Gott sei Dank!
Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden. Amen.