Healing of Memories - Sonntagsbetrachtung im Schwabacher Tagblatt

Lieber Leser, liebe Leserin,

Südafrika in den 1970-er Jahren. Es herrscht dort ein Apartheidregime, das Schwarze von der politischen und gesellschaftlichen Teilhabe ausschließt. Der weiße anglikanische Kaplan Pater Michael Lapsley wird aus Neuseeland als Missionar nach Südafrika versetzt. Er schließt sich der Antiapartheidbewegung an und predigt gegen die Rassentrennung. 1976 wird er des Landes verwiesen, setzt sich aber weiter für die Rechte der Schwarzen ein. Im Exil verliert er 1990 bei einem Briefbombenattentat beide Hände und sein rechtes Auge, auch sein Trommelfell wird stark beschädigt. Nach einer langen Genesungszeit gründet Pater Michael 1998 in Kapstadt das „Institut for Healing of Memories". Es bietet den Opfern der Apartheid Unterstützung bei ihrer seelischen Heilung an. „Die Heilung traumatischer Erfahrungen ist möglich, wenn man die Erinnerungen nicht verdrängt, sondern sie bearbeitet", meint Pater Michael.

Das kennt wohl jeder: es gibt Ereignisse und Erlebnisse, die uns verletzen und sich tief in die Seele einbrennen. Immer wieder tauchen sie auf. Sie lassen einen nicht los. Sie können Aggression und Hass wachsen lassen und Beziehungen und Familien zerstören. „Was du mir damals getan hast, das werde ich dir nie vergessen!" Vergessen ist auch nicht die Lösung. Es kommt vielmehr darauf an, sich nicht mehr von seinem Schmerz und seinen Verletzungen beherrschen zu lassen, nicht mehr Opfer seiner eigenen Erfahrungen zu sein. Wer sich mit seinen schmerzlichen Erfahrungen aussöhnt, kann dann auch dem anderen die Hand zur Versöhnung reichen.

Unheilvolle Erinnerungen betreffen aber nicht nur einzelne Menschen, sondern auch größere Gruppen und ganze Nationen, meint Pater Michael. Nicht selten werden diese politisch missbraucht, um Menschen gegeneinander aufzuhetzen und Hass zu schüren. Frieden und Versöhnung gibt es aber nur, wenn wir uns diesen Erinnerungen und der Schuld, die damit verbunden ist, stellen und lernen einander zu vergeben. So geschehen zwischen Frankreich und Deutschland. Nach langen Verhandlungen und Gesprächen wird 22. Januar 1963 der „Deutsch-Französische Vertrag" unterschrieben. Die beiden Staatsoberhäupter Konrad Adenauer und Charles de Gaulle umarmen sich.
„Healing of Memories" - Versöhnung sollte es gerade auch zwischen Religionen und Konfessionen geben. Am 11. März diesen Jahres findet in Hildesheim ein ökumenischer Versöhnungsgottesdienst statt. Mittlerweile reichen wir uns als katholische und evangelische Christen in Deutschland versöhnlich die Hände. Was für ein Segen wäre es doch, wenn das weltweit zwischen den Menschen gelänge! Pater Michael Lapsley meint: „Heilung ist harte Arbeit, aber mit Gottes Hilfe ist sie möglich." Tun wir mit.

Pfarrer Norbert Heinritz, Wendelstei, 5.3.2017