"Handreichung Gottes" - Predigt an Trinitatis 2017 von Pfr.i.R. Horst D. Stanislaus

In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel. Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße und mit zweien flogen sie. Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll! Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens und das Haus ward voll Rauch.
Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den Herrn Zebaoth, gesehen mit meinen Augen. Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm, und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei. Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!
Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet's nicht; sehet und merket's nicht! Verfette das Herz dieses Volks und ihre Ohren verschließe und ihre Augen verklebe, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen.
Ich aber sprach: Herr, wie lange? Er sprach: Bis die Städte wüst werden, ohne Einwohner, und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst daliegt. Denn der Herr wird die Menschen weit wegführen, sodass das Land sehr verlassen sein wird. Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals kahl gefressen werden, doch wie bei einer Terebinthe oder Eiche, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein. (Jes 6, 1-13)

Liebe Gemeinde,

Wenn ich höre, was Gott dem Propheten aufträgt, zu predigen, dann denke ich, bei uns ist das schon passiert, was hier vor 3000 Jahren noch Botschaft zum Aufmerken war: Hören von Gott, aber nichts geht ins Herz, es ist als verrauchte die Botschaft, Menschen leben und lachen darüber, wie über etwas, was man nicht braucht. Sehen und nichts merken. Starke Worte: verklebte Augen, verschlossene Ohren, verfettete Herzen. Merkmale des schwindenden christlichen Geistes in unserer Gesellschaft.

Woran merkt man es, wie christlich eine Gesellschaft tickt? An Pfingsten hörten wir von den Wirkungen des Heiligen Geistes. Ist die prophetische Prognose schon eingetreten, „dass uns Hören und Sehen vergeht", wie es der Volksmund sagt? Machen wir einen Check.

Hilfsbereitschaft im Sinne von Nächstenliebe wäre ein starker Maßstab für einen Christenmenschen, gegenüber Flüchtlingen, gegenüber Hungernden. War in der Zeit der ersten Christenheit die Liebe zueinander ein Unterscheidungsmerkmal, Christen zu erkennen, heute ist es ein allgemein anerkanntes, humanistischen Ideal, wenn nicht die russische Pflegemaffia mit ihrer Abzocke, als Hilfe ohne Glauben, ohne Skrupel, das Gegenteil beweist. Und dann die Sehnsucht nach ehrlicher, der von Christus inspirierten, echten Nächstenliebe, wachsen lässt. Christen, die sich einsetzen für andere, auch dann noch, wenn andere schon wieder die Lust verlieren, oder politische Stammtischparolen anderes wollen. Das wäre ein Maßstab dessen, was Gott von den SEINEN wollte. Da wären die Ohren, Augen und Herz, offen für das aus Gottes Sicht Not-wendige.

Der wichtigste Indikator des Christseins jedoch, ist es auf Gottes Wort zu hören. Es ist so traurig, dass Menschen wie achtlos die Gelegenheit, Gottes Wort zu hören, verstreichen lassen. Sonntag für Sonntag. Dass zum Sonntag das Hören auf Gottes Wort gehört, und zwar im Gotteshaus, ist nicht überflüssige, gar spießige Traditionspflege, sondern Lebensmittel. Aber die Kirchen werden leerer, Zeitgenossen sehen das offensichtlich nicht so und schon gar nicht, dass es DEN Gott braucht, von dem in der Kirche die Rede ist. Als Gemeinde klagen wir darüber und leiden darunter, inmitten leerer Bänke zu sitzen. Wir probieren allerlei aus, um das zu ändern, Menschen neu anzusprechen. Manchmal gelingt es auch für den Moment, aber die Tendenz bleibt. Unausweichlich wie der Klimawandel ist der Wandel zum Unglauben. Und wir mitten drin. Wir müssten doch, und es sollte doch, Studie folgt Studie, was zu tun wäre, um den modernen Menschen mit der Glaubensbotschaft zu erreichen.

Der Prophet lässt mit der Geschichte seiner Berufung und dem Gotteswort das ihn traf, erschaudern. Da hat er den Auftrag, von einer elementar anderen Sichtweise zu reden. Er soll seinen Zeitgenossen im Auftrag Gottes ausrichten, dass das so sein wird, dass die Predigt des Wortes Gottes nicht aufgenommen werden kann und mag, weil die Augen verschlossen und die Ohren verklebt sind und das Herz fett und starr. Nichts kommt an von der Liebe Gottes, dem Auftrag Gottes, dem Segen Gottes. Alles verpufft. Und die Menschen leben ihren Trott als sei dies alles normal. Menschen haben sich von Gott entfernt und werden damit bestraft, dass dann auch die Gottferne besteht, das Exil.

Das ist der Auftrag des Propheten, so zu predigen und wir erleben es, schrecklich, denn wir wollen doch anders, wir wollen doch hören und sehen und lieben und helfen.

Es macht keinen Sinn, vorwurfsvoll auf die unverständigen, vielleicht glaubenslosen Zeitgenossen zu schielen, die nicht merken, was eigentlich Sache wäre. Denn, schlimm genug, mitten drin, stehe ich mit meinem Unvermögen, meinem kleinen Glauben, meinen sich oft verhärtendem Herz und den Augen die wegschauen und den Ohren, die weghören und dem Mund, der den HERRN nicht loben mag. Ich bin mitten drin in dieser Zeit und kann, wenn ich mein Leben vor Gottes Angesicht sehe, auch nur sagen: Weh mir ich vergehe, denn ich bin unreiner Lippen und gehören zu seinem Volk mit unreinen Lippen. Das alles trifft auf mich zu, so wie Luther es empfand mit den letzten Worten, die er sich aufgeschrieben hatte: Wir sind Bettler das ist wahr.

Nein, es macht keinen Sinn auf die anderen, die nicht sehen und nicht hören und mit verfettetem Herzen einhergehen, zu schimpfen und von oben auf sie herabzuschauen, weil uns, im Unterschied zu ihnen, unser Glaube wichtig ist. Wenn wir so denken, dann sind wir selbst schon wieder doppelt und dreifach blind und taub für das, was Gott will.

Es macht aber auch keinen Sinn, sich untergehen zu lassen, in dem Gefühl, unwürdig, weit von Gott weg zu sein, soo weit, durch eigene Schuld, durch eigene Schwachheit, durch Kleinglauben, auch daran, dass Kirche so wahrgenommen wird, wie sie in der Gesellschaft wahrgenommen wird, weil wir so sind, wie wir sind, als Ihre Mitglieder, als Christen, die nicht mutig genug bekennen, nicht kompromissloser lieben und nicht voller Gewissheit hoffen.

Nehmen wir also, was mit der Kirche und dem Gottesglauben in unserer Zeit passiert, als Willen Gottes hin, auch wenn es erschreckt, über die Maßen erschrecken kann. Wer sagt denn, dass die Kirche immer die große Zahl haben muss als Volkskirche, mit staatstragender Bedeutung. Es ist schön, dass wir das zu unserer Lebenszeit so erleben konnten, mit all den Möglichkeiten, Kirche zu gestalten, von Domen zu Kirchentagen, von der Ausgestaltung diakonischer Angebote, von der Andacht am Telefon und im Fernsehen, oder per WhatsApp bis zu eigenen Jugendkirchen. Aber, wer sagt, dass das immer so sein muss. Leicht merken wir, dass da womöglich eine Epoche langsam an ihre Grenzen kommt. Immer häufiger wird das System der Kirchensteuer in Zweifel gezogen. Immer mehr werden, oft innerhalb der Kirche, diakonische Angebote in Zweifel gezogen, weil sie staatlichen Auflagen unterliegen, auch staatliche Förderung erhalten und auch, weil Mitarbeiter manchmal nicht gefunden werden, die ihr Leben selbst als Christen verstehen. Dann wird nachgefragt, was ist in einem evangelischen Kindergarten anders als in dem kommunaler oder anderer Träger. Geb's Gott, dass das immer deutlich werden kann.

Dass wir uns nicht falsch verstehen, ich will um Himmels willen nicht den Ast absägen, auf dem wir sitzen, aber nachdenklich macht es, angesichts des Predigtauftrags an Jesaja, doch, auch zu sehen, dass der Glaube und seine christlichen Gemeinden in ihrem inneren Leben immer stark waren, wenn sie in der Minderheit waren, kleine Gruppen, vielleicht sogar verfolgt wurden, sie sahen es als Teilhabe an der Passion Christi.

Was ist das Ziel Gottes: Untergang oder Rettung? So fragen wir. Es kann nur eines sein: Mahnung zur Rettung! Als ob das eine Frage wäre, Rettung natürlich ist das Ziel Gottes.

Der Stumpf bleibt, auch wenn der Baum gefällt ist, und er treibt neu aus: Der Reis aus der Wurzel Jesse, wie wir es an Weihnachten hören und singen: Es ist ein Ros entsprungen! Das ist das prophetische Zeichen der Hoffnung, der kleine Lichtblick gibt die Perspektive des Heils: Jesus.

Es ist die Handreichung Gottes, die Jesus für uns parat hat, so hat ER Menschen wieder sehen lassen, wieder hören lassen, ihr Herz wieder zum Schlagen gebracht. So viele biblische Geschichten erzählen davon, ER hat die Herzen mit SEINEM Geist erfüllt. Das ist das Erbe, von dem wir zehren dürfen. Aber die Mahnung bleibt, das alles nicht zu verspielen.

Was bleibt uns in unserem Glauben, wenn wir das hören? Der Status bleibt; Jesaja hat mit seiner Diagnose quer über die Jahrtausende Recht. Wie kann es anders sein, er richtet Gottes Botschaft aus.

Nicht sehend: Jesus hat uns das gelobte Land, Gottes Ewigkeit vor Augen gemalt: Paulus kann noch sagen: Ich habe Lust abzuscheiden um bei Christus zu sein. Unsere Augen sind auf Kurzsicht gestellt, nicht auf ewige Weitsicht.

Nicht hörend: die Worte Gottes werden ausgesprochen, aber ihr Nachhall bleibt oft aus, oft sind die Ohren auf Durchzug und bleibt nicht in der Seele hängen, oft reichen sie bis zur Kirchentür und dann fällt unser Leben, wie die sprichwörtliche Katze, auf die alten Füsse.

Unreine Lippen: was kommt nicht alles aus unserem Mund? Mancher lässt sich über Flüchtlinge aus, mancher über seinen Nachbarn, usw.
Und das verfettete Herz trägt sein Übriges bei. Und die Sichtweise unserer Zeit kommt hinzu: Menschen früherer Generationen haben gelebt, um in den Himmel zu kommen, das war ihnen alles wert. Das Lebensideal des modernen Menschen ist es - pointiert gesagt - sich das Leben als Himmel einzurichten.

Ich fühle mich ertappt. Ja, HERR, oft ist es so, bei mir. Was für ein Trost, dass auch unter den Jüngern Jesu nicht immer alles heilig war, obwohl sie den Heiligen Gottes stets vor Augen hatten. Da gibt es Leugner, schwache Bekenner, Verräter, Eigensüchtige, Unverständige, Kleingläubige.

Aber, muss man sagen, aber, und das ist ja das göttliche Wunder, von dem uns der TrinitatisTag mit seinem „Heilig Heilig Heilig" predigt. Gott gibt sich mit dem Status nicht zufrieden. Diesem Menschen, Dir, mir, begegnet der ewige Gott und streckt ihm die Hand entgegen, wie es in dem gewaltigen Gemälde von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle von der Schöpfung gezeigt ist: Gott im Himmel streckt SEINE Hand dem Menschen entgegen und der reckt sich nach seinem Schöpfer, um die Hand nur ja nicht zu verpassen.

Die ganze Heilige Schrift ist voll davon, wie Gott immer wieder auf den Menschen zugeht, um die Verbindung zu halten und wieder neu zu knüpfen. SEINEN Bund. Er zeigt dem Volk seinen Weg, durch das Meer, durch die Wüste, Wolke und Feuersäule, nichts anderes als Handreichung Gottes, die glühende Kohle, die Propheten und Gottesmänner mit ihrem Trost zum Heil und ihren Mahnungen, Handreichungen Gottes. Jesus schließlich, besonders, die Handreichung Gottes schlechthin. ER lässt das wirkliche Gesicht Gottes sehen, voller Liebe, SEINE Hand, aus der nichts reißen kann. Und Gottes guter Geist, der uns stets umgibt und das alles immer neu aktuell werden lässt. Und so ist es denn auch bis heute, jede Predigt, jedes Abendmahl, jedes gute Gespräch, jedes Suchen nach Gottes Hand beim Beten, jeder liebevolle Blick auf einen Mitmenschen, jedes gute Wort, Handreichung Gottes,
damit wir sehen, hören können und offenen Herzens auf andere zugehen.

Natürlich bleiben wir immer Menschen mit Schwächen. Aber das vor Gott einzugestehen, ist schon die halbe Miete: HERR, ich bin nicht wert, dass Du unter mein Dach gehst, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. Wenn ich das eingestehe, strecke ich Gott die Hand entgegen, SEINE zu erreichen. Und DIESE Hand ist da, verlässlich!

Handreichung Gottes! Sie stärkt in allem Durcheinander dieser Welt die innere Gewissheit des Glaubens: Ich bin gewiss....

Sie öffnet die Augen im Blick auf das Leben, zu sehen, wie gut es Gott meint. Und öffnet die Augen, durchschauen zu können durch Last und Leid, durch Angst und Not, um uns herum und in der eigenen Seele und hinter allem, was ängstet. Durchzuschauen selbst durch Durststrecken des Lebens und das erfahrene Exil der Gottferne, in das wir uns hineinmanövrieren können. Auch dann noch Gottes Liebe zu sehen, die für mich in die Ewigkeit reicht.

Und öffnet die Ohren, die guten Worte Gottes von SEINER Liebe, der Geborgenheit in SEINEN Händen in unsere wunde Seele tropfen zu lassen wie ein heilsames Elexier, dass die finsteren Gedanken vertrieben werden. „So nimm denn meine Hände ..., wenn ich auch gleich nichts fühle von DEINER Macht, DU führst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht!"

Und öffnet den Mund, vom Glauben zu reden, von dem Halt, den er schenkt, der Kraft und der Geborgenheit, die er schenkt. Von dem HERRN zu reden, der Weg, Wahrheit und Leben schenkt und ist. „Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl, das macht die Seele still und friedevoll."

Mit dem Dreieinigkeitsfest hat die Kirche in einem Fest zusammengefasst, wie Gott dem Menschen SEINE Hand entgegenstreckt, und dem Menschen begegnet ist als der Schöpfer, der Vater und Erhalter allen Lebens, als der Sohn, in dem Gott selbst die Niederungen der Erde durchschritt
und als der Heilige Geist, der mit Kraft und Trost das Leben der Menschen ummantelt. Es ist immer der Eine Gott und HERR.

In manchen Kirchen ist die Dreifaltigkeit von Gott, Vater, Sohn und Heiligem Geist, als Kunstwerk dargestellt, genannt Gnadenstuhl oder Gnadenthron. Man sieht Gott Vater sitzen und ER hält SEINEN Menschen den gekreuzigten HERRN entgegen und zwischen beiden, in Gestalt der Taube symbolisiert, der Heilige Geist, der unschwer aus dem Gnadenstuhl in die Herzen der Menschen fliegen kann.

Wie immer wir sind, IHM fern oder nah, diese Handreichung, Jesus Christus, von Gottes Herz in unser Herz, jeden Tag frisch durch SEINEN Heiligen Geist
bleibt uns von unserem Gott – immer. Gottlob! Halleluja! Amen!