Predigt zur Jubelkonfirmation 2019 von Pfr. Norbert Heinritz (zu Joh 8.12)

Liebe Jubelkonfirmandinnen, liebe Jubelkonfirmanden, liebe Gäste, liebe Gemeinde,

ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen, die von den Philippinen stammt: Ein König hatte zwei Söhne. Als er alt wurde, wollte er einen der beiden zu seinem Nachfolger bestellen. Er versammelte die Weisen seines Landes und rief seine Söhne herbei. Er gab jedem der beiden fünf Silberstücke und sagte: „Füllt für dieses Geld die Halle in unserem Schloss bis zum Abend. Womit, das ist eure Sache.“ Die Weisen sagten: „Das ist eine gute Aufgabe. Denn es ist eine sehr schwierige Aufgabe. Die Halle ist groß und was kann man schon für 5 Silberstücke kaufen, dass man sie füllen könnte?“

Der älteste Sohn ging davon und kam an einem Feld vorbei, wo die Arbeiter dabei waren, das Zuckerrohr zu ernten und in einer Mühle auszupressen. Das ausgepresste Zuckerrohr lag nutzlos umher. Er dachte sich: „Das ist eine gute Gelegenheit, mit diesem nutzlosen Zeug die Halle meines Vaters zu füllen.“ Mit dem Aufseher der Arbeiter wurde er einig und sie schafften bis zum späten Nachmittag das ausgedroschene Zuckerrohr in die Halle. Als sie gefüllt war, ging er zu seinem Vater und sagte: „Ich habe deine Aufgabe erfüllt. Auf meinen Bruder brauchst du nicht mehr zu warten. Mach mich zu deinem Nachfolger.“ Der Vater antwortete: „Es ist noch nicht Abend. Ich werde warten.“

Bald darauf kam auch der jüngere Sohn. Er bat darum, das ausgedroschene Zuckerrohr wieder aus der Halle zu entfernen. So geschah es. Dann stellte er mitten in die Halle eine Kerze und zündete sie an. Ihr Schein füllte die Halle bis in die letzte Ecke hinein. Der Vater sagte: „Du sollst mein Nachfolger sein. Dein Bruder hat fünf Silberstücke ausgegeben, um die Halle mit nutzlosem Zeug zu füllen. Du hast nicht einmal ein Silberstück gebraucht und hast sie mit Licht erfüllt. Du hast sie mit dem gefüllt, was die Menschen brauchen.“

Liebe Gemeinde, diese Geschichte von den Philippinen ist nicht einfach eine Geschichte über den Wert eines schlauen Sohns - obwohl natürlich auch schlaue Söhne oder Töchter nicht schlecht sind. Vielleicht haben Sie so einen. Vielleicht waren sie selber so eine. Diese Geschichte von dem König mit seinen zwei Söhnen erzählt von unserem Leben. Sie stellt uns vor die Frage: Womit füllen wir unser Leben aus? Mit dem, was so abfällt und übrigbleibt? Mit nutzlosem Zeug? Oder mit dem, was es hell macht im Leben? Was bringt Licht in unser Leben?

Liebe Jubelkonfirmandinnen, liebe Jubelkonfirmanden, Sie feiern heute Ihre Jubelkonfirmation. Vor 25, 40, 50, 60, 65, 70 oder gar 80 Jahren sind Sie in die Kirche eingezogen,  haben Ja gesagt zu Ihrer Taufe und zu Ihrem Glauben. Sie haben das damals – vielleicht nicht mit großer Lust – auswendiggelernte Glaubensbekenntnis gesprochen. Sie haben den Segen Gottes empfangen. Lang ist es her. Erinnern Sie sich? An Ihren Konfirmationsgottesdienst? Erinnern Sie sich an den Konfirmandenunterricht? Was da alles noch zu lernen war… Damals waren die Pfarrer – Pfarrerinnen gab es ja in Wendelstein damals noch keine (die erste Pfarrerin war Pfrin Renate Schauer-Roth und kam 2002 nach Wendelstein) – noch Pfarrherren und sind entsprechend aufgetreten. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Erinnern Sie sich?

Heute haben wir sogar eine Jubilarin, die auf die Konfirmation von vor 80 Jahren zurückblicken kann. Das ist schon etwas Besonders. Das gibt es nicht jedes Jahr. Sie, Frau Reger, wurden hier in der Kirche von Pfarrer Dr. Hans Meier 1939 konfirmiert. 1939 – da war die Welt noch eine andere: kein Fernsehen, kein Internet, kein Computer, noch nicht einmal ein Kühlschrank. Das Bier holte man im Krug aus der Wirtschaft, oder man blieb am besten gleich ganz drin hocken.

1939 ein denkwürdiges Jahr nicht nur wegen Ihrer Konfirmation. 1939 fing Hitler den Zweite Weltkrieg an. Eine dunkle Zeit war das. Mit welchen irren Vorstellungen haben manche damals ihr Leben gefüllt! Am Ende war Deutschland zerstört. Viele von Ihnen heute gehören zu der Generation, die Deutschland wieder aufgebaut hat. Das Wirtschaftswunder. 1949 wurde die Bundesrepublik gegründet, vor 70 Jahren. Seit über 70 Jahren leben wir in Frieden. Was für ein Segen!

Und dann lese ich an diesem Wochenende in der Zeitung: Die Bayern werden unzufriedener. Derweil leben wir in einem Wohlstand, vom dem man damals noch nicht einmal zu träumen wagte. Und noch nie gab es auf deutschem Boden eine so lange Friedenszeit. So gut wie uns ging es noch keiner Generation in diesem Land. Freilich auch das muss man sagen: wir leben auf Kosten zukünftiger Generationen. Wie füllen wir unser Leben aus?

Als Sie, die jungen unter den Jubilaren, vor 25 Jahren, also 1994 konfirmiert wurden, war Deutschland schon wiedervereinigt. Der Kalte Krieg war vorbei. Eine Zeit völlig anders als 1939. Mit anderen Vorstellungen vom Leben, von Pflicht, von Familie, von Staat und Politik und auch von Glauben und von Kirche. Und doch leben wir gemeinsam  auf dieser Welt. Wir können nur gemeinsam auf dieser Welt gut leben. Wir brauchen einander – über die Generationen und die Grenzen hinweg.

Die Frage bleibt an jede Generation: Wie füllen wir unser Leben aus? Mit welchen Vorstellungen und Ideen? Mit welchen Absichten, Entscheidungen und Taten? Wie haben Sie Ihr Leben seit Ihrer Konfirmation Ihr Leben gefüllt? Mit nutzlosem Zeug oder mit Licht?

Jesus sagt: Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern das Licht des Lebens haben (Joh 8,12). An dieses Jesuswort will ich heute erinnern. Vollmächtige Worte sind das. Jesus sagt nicht: Ich bin irgendein Licht. Er sagt nicht: Ich bin eine Lichtgestalt unter vielen anderen. Er sagt nicht: Ich bin das Licht nur für ein paar Auserwählte. Nein, er sagt: ich bin das Licht der Welt. Also mit anderen Worten: Ich bin der, der es bei einem jeden und bei einer jeden im Leben hell macht.

Wie kann er das sagen? Weil mit ihm unumkehrbar die Liebe Gottes in diese Welt gekommen ist. Eine Liebe, die bis in den Tod geht. Daran denken wir ja in diesen Tagen vor Ostern. Daran glauben wir. Die Liebe ist es, die das Leben hell macht. Die Liebe ist es, die das Leben erfüllt.

Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern das Licht des Lebens haben. Was für ein Licht ist das? Im Grund gar kein Licht zum Sehen, kein Licht für die Augen, sondern ein Licht für die Ohren, ein Licht zum Hören. Worte sind es, die in unserem Leben die Finsternis vertreiben, nicht Lampen und nicht Bilder. Überlegen Sie mal, was Sie im Leben wirklich berührt hat? Worte sind es: „Ich liebe dich. Ich halte zu dir. Ich bin für die da.“ Worte können es hell machen oder auch finster. Sie können einem ein Leben lang Kraft geben oder tief verletzen.

Bei Ihrer Taufe und dann bei Ihrer Konfirmation wurde Ihnen zusagt: „Du bist wertvoll, du bist geliebt, du bist Gottes Kind“. Worte wie Licht. Ein inneres Licht aus Worten entfacht, das einem im Glauben leuchtet.

Erst diese Woche hat mir eine Frau erzählt: der Glaube war mein Hoffnungsschimmer und Halt in schweren und finsteren Zeiten, als mein Mann einen schweren Schlaganfall hatte, ich ihn pflegte und er dann starb. Da bekam ich eine Kraft, die nicht aus mir selber kam. Ohne meinen Glauben hätte ich das nicht so geschafft. Und jemand anderes hat mir gesagt: Manchmal stehe ich früh und freue mich so an meinem Leben. Da könnte ich es zum Fenster rausschreiben: Danke, lieber Gott!

Es gibt diese lichten Erfahrungen. Die kann man nicht selber machen. Es gibt keinen Schalter für das innere Licht. Es gibt keinen Schalter für Gottvertrauen, für Glauben, für Liebe. So schön das wäre. Aber wir können uns dafür öffnen. Jeden Tag stehen wir vor der Frage: Mit was lassen wir uns heute füllen? Wem und was geben wir Raum in unserem Leben? Füllen wir es mit dem, was es hell macht in unserm Leben: mit Liebe, Hoffnung, Zuversicht, Glauben? Oder mit nutzlosem Zeug?

Jesussagt: Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern das Licht des Lebens haben.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Pfarrer Norbert Heinritz am 14.4.2019