Wir leben in Deutschland in einem freien Land als freie mündige Bürger mit einer Verfassung, unserem Grundgesetz, das uns diese freiheitlichen Bürgerrechte garantiert. Gott sei Dank ist es so. Doch wissen wir das auch wirklich zu schätzen? Und gehen wir mit unserer Freiheit auch verantwortungsvoll um? Mich erschrecken der zunehmende Hass und der verächtliche Umgangston, der sich vor allem in den sozialen Medien breit macht. Erschütternd finde ich, dass unsers Landesbischof Heinrich Bedford-Strom sogar Morddrohungen erhalten hat.
In biblischen Zeiten waren die gesellschaftlichen Verhältnisse ganz anders als heute. Als Paulus – wahrscheinlich im Frühjahr des Jahres 54 n. Chr. – seinen ersten Brief an die Gemeinde in Korinth schrieb, bildeten die Unfreien, also die Sklaven den größten Anteil der bunt gemischten Bevölkerung der damals größten Stadt Griechenlands. Die Empfänger des Briefes wussten genau, was es bedeutet, „eines Menschen Knecht“ zu sein. Paulus zeigte ihnen Lebensperspektiven von höchster Relevanz auf: Sie sind jetzt nicht mehr Knechte – oder wörtlich übersetzt „Sklaven“ – von Menschen, sondern sie gehören nun zu Christus. Es war allen damals klar: es kommt darauf an, zu wem man gehört. Auch Christus wird „Herr“ genannt, aber ein Herr, der zur „Freiheit befreit“ (Gal 5,1). Dieser Herrschaftswechsel ist teuer erkauft mit dem Sterben Christi am Kreuz. Er selbst macht sich zum Sklaven, damit die Knechtschaft ein für alle Mal ein Ende hat.
Knechtschaft im übertragenen Sinn gibt es auch in einem freien Land wie in Deutschland. Wo lassen wir uns verknechten? Nicht selten machen wir uns selbst aus freien Stücken zu Knechten. Was tun wir nicht alles, um in dieser Leistungsgesellschaft mithalten zu können, um „in“ zu sein, um Ansehen zu haben? Handy und Computer bestimmen unser Leben, wir sind immer online, um ja nichts zu verpassen und mithalten zu können im Vergleich mit den Arbeitskollegen und Nachbarn. Eine neue Form von digitaler Knechtschaft.
Unser Monatsspruch ruft uns zu: werdet nicht wieder Knechte! Ihr seid befreit. Was macht diese Freiheit als Gottes Kinder aus? Zuallererst die Tatsache, dass jede und jeder Einzelne gut genug für Gottes Liebe ist, genauso wie sie oder er ist. Das gibt eine große innere Freiheit, die unabhängig von den äußeren Lebensbedingungen ist. Dietrich Bonhoeffer schreibt aus dem Gefängnis: „Es gibt ein erfülltes Leben trotz vieler unerfüllter Wünsche“. Das ist ein Zeugnis für diese innere Freiheit. Und genau diese wünsche ich Ihnen
Ihr Pfr. Norbert Heinritz