Predigt am Heilig Abend 2016 von Pfarrer Norbert Heinritz

Liebe Gemeinde,

ich liebe diesen Abend, diesen Heiligen Abend. Ich liebe diesen Abend seit meiner Kindheit bis heute. Ein ganz eigener Zauber liegt über diesen Abend. Am Morgen noch geschäftiges Treiben, eilende Menschen, Schlangen bei der Metzgerei Böhm und beim Bäcker Enßer, daheim noch aufgeregtes Herrichten, letztes Einpacken von Geschenken und dann kehrt Ruhe ein, wenn so langsam die Dämmerung kommt und Lichter angehen. Was bis dahin nicht geschafft ist, kann man jetzt auch nicht mehr erledigen. Es legt sich ein sanfter stiller Schleier übers Land. Die hörbare Ruhe. Kaum noch Autos auf den Straßen. Das hat mich schon als Kind begeistert, wie es plötzlich still wird. Und wenn dann noch Schnee liegt, der die Geräusche dämpft...

Als ich als angehender Pfarrer nach der Christvesper von Donauwörth über die B2 nach Nürnberg gefahren bin, sind mir auf der ganzen Strecke glaube ich gerade mal ein Hand voll Autos entgegen gekommen. So etwas habe vor- und nachher nie wieder erlebt.

Ich liebe diesen Heiligen Abend, wenn Ruhe einkehrt, die Familien sich auf den Weg in die Kirche machen, das Geläut der Glocken in dieser stillen Nacht, die frohen Weihnachtslieder und dann die Botschaft: Fürchtet euch nicht, ich verkündige euch große Freude, die allen Volk wiederfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Ein besonderer Abend ist es, dieser Heilige Abend.

Und, liebe Gemeinde, wir brauchen diesen Abend! Er zeigt uns, dass alles auch ganz anders sein kann. Dass es eben nicht nur Gerenne, Hektik, Arbeit, Mühe und Kampf und Krampf auf dieser Welt gibt, sondern auch offene Herzen, versöhnliche Worte, leuchtende Kinderaugen und vor allem Liebe. Liebe, die uns verbindet und beglückt. Göttliche Liebe, die zu uns kommt in einem kleinen Kind in der Krippe.

Wir brauchen diesen Abend mit seiner besonderen Botschaft: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Singende Engelschöre. Licht, das im Dunkeln aufleuchtet. Hoffnung für die Welt.

Es ist ja eine ganz eigene und widersprüchlich Situation, die uns in der Weihnachtsgeschichte erzählt wird. Wir hören die Botschaft vom Frieden auf Erden und derweil war es damals in Bethlehem alles andere als besonders friedlich. Ein junges Paar war unterwegs auf kaiserlichen Befehl hin. Dass das junge Mädchen hochschwanger war, war da völlig gleichgültig. Es galt das Wort der Herrschenden, nicht die Menschlichkeit. Das junge Paar findet keine Herberge, obdachlos in Bethlehem. Gerade noch in einem Stall kommen die beiden unter. Dort die Geburt des Kindes, ohne Arzt, ohne Hebamme, nicht in einem sauberen Kreissaal, nicht mit der Kinderklinik nebenan. Noch nicht mal ein Bettchen gibt es für den Säugling. Die Futterkrippe mit Heu und Stroh muss herhalten. Keine besonders schöne und friedliche Situation.

Und es war auch keine friedliche Zeit. Augustus, Kaiser des römischen Reiches, ließ sich als Gott verehren und herrschte mit Gewalt – Pax romana eben. Herodes der Große, König in Judäa von des Kaisers Gnaden war ein Diktator und Despot, der auch vor Massenmord an der eigenen Bevölkerung nicht zurückschreckte. Die politische Lage damals in keinster Weise besser als heute.

Gerade deshalb braucht es diesen Abend. Gerade deshalb braucht es diese Botschaft: Es kann auch ganz anders sein. Licht im Dunkel. Hoffnung in einer friedlosen Welt. Heil und Rettung, die nicht vom oben kommt mit der Gewalt der Mächtigen, sondern von ganz unten, von einem kleinen Kind geboren in einem Stall in der Krippe. Es kann auch ganz anders sein.

Wir brauchen diesen Heiligen Abend auch heute, Weihnachten 2016. Die Bilder der vergangen Tage verfolgen uns bis hinein in diesen Abend. Die zerstörten Häuser von Aleppo, herumirrende Menschen, die nicht mal einen schützenden Stall finden, weinende Kinder, der Schrecken des Krieges. Die zerstörten Buden auf dem Berliner Weihnachtsmarkt, ein LKW als Waffe missbraucht, ein Blumenmeer der Anteilname für die Opfer. Unsere Gedanken und Gebete sind heute auch bei den Menschen, die trauern, die einen lieben Menschen verloren haben, die heute nicht glücklich feiern und sich freuen können, Unsere Gedanken und Gebete sind heute auch bei denen, die unter Hass und Terror leiden.

Wir brauchen diese Botschaft heute am Heiligen Abend: Fürchtet euch nicht! Nein, fürchtet euch nicht. Es gibt Licht im Dunkel. Es gibt Frieden auf der Welt. Es kann alles auch ganz anders sein.

Als es erwachsen war, dieses Kind in der Krippe, war es die Inkarnation des Friedens und der Liebe. Sein Leben war seine Botschaft: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Ja, liebe sogar deine Feinde. Lass dich nicht vom Bösen überwinden. Überwinde den Hass mit Liebe. Glaube und vertraue der Barmherzigkeit Gottes und sei selber barmherzig. Am Ende ist dieses Kind in der Krippe als Erwachsener für seine friedliche Botschaft hingerichtet worden. Die Mächtigen konnten das nicht ertragen. Aber das war kein Untergang, sondern der Sieg der Liebe Gottes. Es kann eben auch ganz anders sein.

Der Despot und Gewaltherrscher Herodes der Große ist längst tot und bedeutungslos. Von dem römischen Statthalter Quirinius würde kein Mensch mehr reden, käme er nicht im Weihnachtsevangelium vor. Und der Kaiser Augustus und das römische Reich mit seinen Legionen sind längst Geschichte.

Doch wir feiern immer noch Weihnachten. Überall auf der Welt feiern wir in diesen Tagen Weihnachten. Die Botschaft vom Frieden, die Botschaft vom Heil und der Rettung Gottes durch ein kleines hilfloses Kind in einer Futterkrippe ist nicht unterzukriegen. Sie hat alles überdauert. Wir verehren dieses Kind als unseren Heiland. Wir glauben, dass in ihm Gottes Liebe und Barmherzigkeit zu uns kommt. Wir glauben, dass die Liebe alle Gewalt und allen Hass überwinden kann. Und so setzen wir auch heute, an diesem Heiligen Abend 2016 ein kleines, hilfloses Kind in einer Futterkrippe gegen alle Gewalt und Terror, gegen all diejenigen, die Hass schüren und Menschen gegeneinander aufstacheln. Wir glauben, es kann alles auch ganz anders sein.

Deshalb liebe ich diesen Abend, liebe Gemeinde, deshalb liebe ich ihn mit seiner Stille und Ruhe. Er hält in uns die Sehnsucht nach Heil und Frieden wach und den Glauben an den einen liebenden und barmherzigen Gott. Was wären wir ohne ihn. Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Amen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.