Predigt am Heilig Abend 2019 von Pfr. Norbert Heinritz

Liebe Gemeinde,

haben Sie daheim einen Christbaum? Oder haben Sie einen Winterbaum? Und hängen daran Weihnachtsengel, die an die Botschaft in der Nacht zu Bethlehem erinnern? Oder sind es „geflügelte Jahresendfiguren“? So jedenfalls - habe ich gelesen - lautete eine Umdeutung der Weihnachtsengel in der ehemaligen DDR. Ob das die DDR-Führung wirklich so wollte oder ob es nur Satire war, darüber ist man sich bis heute nicht im Klaren. Auf jeden Fall war das christliche Weihnachtsfest den Machthabern in der DDR ein Dorn im Auge. Sie hätten lieber eine Jahresendfeier gehabt. Freilich: unter zu kriegen war Weihnachten, das Kind in der Krippe und die Botschaft vom Frieden auf Erden auch in der DDR nicht.

Ob es vielleicht Coca Cola schafft? Der von Coca Cola als Werbefigur geschickt eingesetzte Weihnachtsmann mit dem Rentierschlitten ist dem Christkind ganz schön auf den Fersen. Nun ja, das Jesuskind ist auch nur auf einem Esel unterwegs. Kommerz gegen Glauben. Ich bezweifle ja, dass der inhaltsleere Weihnachtsmann wirklich gegen die weihnachtliche Botschaft vom Kommen des Heilands ankommen kann. Oder doch?

Ab und an ploppt auch die Diskussion auf, ob nicht auch bei uns alles religiös neutraler sein sollte. Ob in den Kindergärten nicht aus St. Martin ein Lichterfest werden sollte. Aus dem aus dem Weihnachtsmarkt ein Wintermarkt. Der Neutralität willen.

Aber, liebe Gemeinde, wenn Weihnachten eines nicht ist, dann ist es neutral. Weihnachten ist einseitig, parteiisch und radikal. Und genau das feiern wir heute.

Weihnachten ist einseitig. Gott stellt sich auf die Seite der Menschen. Er wechselte gewissermaßen die Seiten. Gott wird Mensch. In diesem kleinen, verletzlichen Kind in der Krippe liefert sich Gott all den menschlichen Widersprüchlichkeiten, Nöten und Ängsten aus, um uns aus all dem zu retten. Gott schwebt nicht mehr einfach in der Ferne des Himmels, sondern reicht uns zur Rettung ganz unten die Hand. Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland geboren. An Weihnachten stellt Gott sich an unsere Seite.

Weihnachten ist parteiisch. Gott ergreift Partei für die ganz unten. Für Arme, die kein Obdach finden. Für raue Gesellen, wie für die Hirten. Für die, die verfolgt werden, wie die Heilige Familie.

Man muss sich klar machen: Im römischen Reich huldigte man im Dezember zur Sonnwendfeier mit großartigen Festen dem unbezwingbaren Sonnengott. Und der römische Kaiser ließ sich dabei als dessen leuchtender irdischer Stellvertreter feiern. Und da besaßen die ersten christlichen Gemeinden mit Evangelisten Lukas die Unverfrorenheit, die Geschichte von einem ganz anderen König und Heiland zu erzählen, der in einem Stall zur Welt kommt und allen Menschen auf Erden Friede bringt; nicht die Pax Romana, den Frieden mit den römischen Soldaten, den Frieden der Mächtigen, sondern Frieden für die Unterdrückten, Armen und Benachteiligen. Eine subversive Botschaft. Weihnachten war und ist parteiisch.

Und Weihnachten ist radikal. In diesem Jesuskind kommt die radikale Liebe zur Welt. Gottes Liebe wird Mensch. Wenn dieses Kind erwachsen sein wird, wird es solche Sätze sagen wie: Liebet eure Feinde, tut wohl denen, die euch verfolgen. Oder: Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. Und am Ende wird dieses Kind sich gewaltlos der Gewalt der Herrschenden aussetzen und aus Liebe für die Menschen und zu deren Rettung sterben.

Viele sagen: Weihnachten ist das Fest der Liebe. Und das stimmt. Wir feiern, dass Gottes radikale Liebe in die Welt gekommen ist. Weihnachten kann daher gar nicht neutral sein. Weil Liebe nie neutral ist.

Natürlich: Niemand wird gezwungen, Weihnachten zu feiern, so wie auch niemand gezwungen wurde, nach Bethlehem zur Krippe zu kommen. Aber wer Weihnachten neutralisieren will, verkennt die Kraft der weihnachtlichen Botschaft. Unsere Christbäume, Weihnachtskerzen, Strohsterne, Rauschgoldengel, sie alle erzählen davon, von diesen einseitigen, parteiischen und radikalen Fest: Vom blühenden Leben mitten im Winter, vom hellen Licht in der Dunkelheit, vom prophetischen Stern, der den Weg weist, von der frohen Botschaft der Engel: Fürchtet euch nicht. Euch ist heute der Heiland geboren. Was für eine großartige Botschaft.

Ich werde mich daher weiterhin einem Christbaum im Wohnzimmer freuen und die Weihnachtskrippe mit dem Kind und Maria und Josef im Stall hinstellen und meine Wohnung zur weihnachtsmannfreien Zone erklären. In unseren Kindergärten werde ich den Kindern die Weihnachtsgeschichte erzählen und mit ihnen die schönen Weihnachtslieder singen. Und ich werde gerne Weihnachtsgottesdienst feiern – mit euch allen zusammen -  und vor allem mich freuen, dass Gott uns den Heiland und Retter geschickt hat.

Ich wünsche euch allen frohe, friedliche und gesegnete Weihnachten. Amen.