Von Raupen, Schmetterlingen und anderem Getier - Osterpredigt 2017 von Pfr. Norbert Heinritz

Liebe Gemeinde,

Jesus ist Auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Das feiern wir heute. Das Leben ist stärker als der Tod! Jesus hat den Tod besiegt. Jesus lebt.

Freilich sind da auch Fragen: Wie kann das sein? Wie kann einer von den Toten auferstehen? So schön unser Gottesdienst ist, so beschwingt unsere Leider klingen, so freudig wir feiern – es können einen auch Zweifel beschleichen. Wie kann der Tod besiegt werden? Ist nicht wenigstens der Tod totsicher?

Wer solche Fragen hat, ist in guter Gesellschaft. Auch die Frauen, die als Allererste zum Grab kamen, waren bis ins Mark erschrocken. Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen (Mk 16,8), schreibt der Evangelist Markus. Und sie fürchten sich, davon zu erzählen.

Und von Thomas, dem sprichwörtlich gewordenen ungläubigen Thomas, hören wir, dass er die Auferstehung Jesu erst glauben wollten, wenn er seine in die Wunden Jesu gelegt habe. „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich's nicht glauben." (Joh 20,25)

Und schon damals zur Zeit der allerersten Gemeinde kursierte das Gerücht, die Jünger hätten den Leichnam gestohlen, um damit die Botschaft von der Auferstehung Jesu in die Welt zu setzen.

Zweifel gab es also schon von Anfang an und zu allen Zeiten. Vor etlichen Jahren hat der Göttinger Theologieprofessor Gerd Lüdemann für Wirbel gesorgt, als er - wohlgemerkt als Theologieprofessor - die Auferstehung Jesu bestritt. „Ein moderner, vernünftig denkender Mensch könne heutzutage nicht mehr an die Auferstehung Jesu glauben", meinte er. Nicht nur er hat diese Meinung. Viele denken so!

Aber – liebe Gemeinde – wer so denkt, hat vielleicht doch einen kleinen Horizont. Da macht man sein eingeschränktes, menschliches Erkennen zum Maß aller Dinge. Warum sollte es nicht auch etwas geben, was unser Denken, unsere Vernunft und unsere Vorstellung übersteigt? Warum eigentlich nicht?

„Von Raupen, Schmetterlingen und anderem Getier", habe ich die heutige Predigt überschrieben. Manchmal kann man von so kleinen Viechern etwas lernen. Sie können zum Gleichnis werden für unser Leben.

Vor einiger Zeit ist mir folgendes passiert: Da kriecht während des Gottesdienstes einfach eine Raupe über unseren Altar und fast über meine Agende. Wahrscheinlich kam sie aus dem Blumenschmuck, wo sie es sich hatte schmecken lassen. Sie hat mich an die Geschichte von den zwei Raupen erinnert.

Die eine sagt da: „Du, ich hab gehört, dass wir vielleicht später sogar fliegen können." – „Ach Unsinn", sagt die andere, „so ein Quatsch. Du kannst höchsten hier vom Blatt runter fliegen und danach brummt dir der Schädel. Unser Leben ist fressen, kriechen, fressen und wieder kriechen." – „Ja, aber meinst du nicht, dass es vielleicht mehr gibt als nur fressen und kriechen", sagt die eine. – „Reine Fantasie", sagt die andere, „alles nur Einbildung und leeres Geschwätz. Hast du schon mal eine fliegende Raupe gesehen? Wir fressen und kriechen und irgendwann sterben wir. Dann ist es vorbei."

Wenn die beiden wüssten, was einmal aus ihnen wird: schöne, bunte, fröhliche Schmetterlinge werden sie sein. Aber natürlich, solange sie sich nur in ihrer Raupenwelt bewegen, können sie gar keine Ahnung und Vorstellung davon haben, wie es ist zu fliegen.

Liebe Gemeinde, solange wir uns – im Bild gesprochen – in unserer menschlichen Raupenwelt bewegen, solange erscheint einen die Rede von der Auferstehung als Unsinn. So lange gilt: kriechen, fressen, kriechen, fressen. Oder anders gesagt: seine Aufgaben erledigen, arbeiten, sich durchwursteln, bisschen Spaß haben, älter werden, sterben. Und das war's dann.

Wenn wir aber über unsere menschliches Denken hinaus sehen, wenn wir uns auf die biblische Botschaft einlassen, wenn wir mit Gott rechnen, mit seiner Macht und seiner Liebe, dann weitet sich unser Horizont.

Ostern bedeutet: über das Raupendasein hinausblicken. Ihr, liebe Gemeinde, seid nicht bestimmt Raupen zu sein, sondern Schmetterlinge! Gebt euch nicht mit dem Augenscheinlichen zufrieden, rechnet damit, dass Gott euch verwandeln kann.

Am Ende, nach dem Sterben natürlich. Der Tod ist nicht das Ende. Er ist nur eine Verwandlung zu einem neuen Leben bei Gott, zum ewigen Leben. So wie es Paulus schreibt: Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib (1 Kor 15,43-44). Verwandelt werden wir. Daher kann man auf Grabsteinen immer wieder auch Schmetterlinge finden. Sie sind kein Zeichen von großen Naturliebhabern, sondern ein Symbol für die Hoffnung auf die Auferstehung, die Verwandlung zum ewigen Leben.

Ihr, liebe Gemeinde, seid nicht bestimmt Raupen zu sein, sondern Schmetterlinge. Gott will euch schon jetzt verwandeln, jetzt mitten im Leben. Verwandeln zu Menschen, die über das Offensichtliche und Augenscheinliche hinaussehen. Verwandeln zu Menschen, die fröhlich glauben und hoffen und lieben.

Heinrich Böll hat das in einem Gedicht so gesagt: „Wenn die Raupen wüssten, was einmal sein wird, wenn sie erst Schmetterlinge sind, sie würden ganz anders leben: froher, zuversichtlicher und hoffnungsvoller. Der Tod ist nicht das Letzte. Das Leben endet nicht, es wird verändert." – Froher, zuversichtlicher und hoffnungsvoller leben, dazu will uns Ostern anstiften.

Ob aus jener über den Altar kriechenden Raupe der Schmetterling geworden ist, der mich vergangenes Weihnachten ganz schön beschäftigte? Dieser flog gerne, vor allem bei Sonnenschein in der Kirche herum. Besonders gefallen hat es ihm, wenn hier gegenüber die Sonne an die Wand schien. Da flatterte er im Sonnenlicht und – kaum zu glauben, aber wahr! – löste dabei die Alarmanlage aus. Wie oft bin ich in diesen Tagen in die Kirche gerannt, ohne jemanden anzutreffen. Am Ende streikte sogar der Alarmanlagensensor, bis ich endlich auf den Übeltäter kam: ein lustiger Schmetterling. Mit Hilfe eines Keschers vom Nachbarn, dem Fisch-Reitinger habe ich ihn schließlich eingefangen. Wie wunderbar! Ein Schmetterling in der Kirche, der den Pfarrer auf Trapp hält.

Auch das ein Gleichnis! So sollte es auch mit der österlichen Botschaft sein: froh, zuversichtlich und hoffnungsvoll sollte sie uns auf Trapp halten, dass wir fröhlich unsere Lebenswege gehen und in schweren Zeiten, darauf vertrauen, dass er, unser Gott uns verwandeln wird. Ihr, liebe Gemeinde, seid nicht bestimmt Raupen zu sein, sondern Schmetterlinge.

Jetzt ließe sich noch von den Marienkäfern erzählen, die zuhauf in unserer Kirche leben. Herrgottskäfer werden sie auch genannt. Glücksbringer sollen diese schönen, roten, schwarz gepunkteten Tierchen ja sein. Wunderbar, denke ich mir da. Ja, es bringt Glück, zu unserem Herrgott hierher in die Kirche zu kommen.

Und von unserer Fledermaus im Dachgeschoss ließe sich reden, die ihre Orientierung durchs Hören findet. Wenn auch wir hören, auf Gottes Wort hören, dann finden wir Orientierung. Und von Osterlämmern, Osterhasen und von Ostereiern könnte ich reden, und und und...Ostern ist ein tolles Fest.

Die Auferstehung Jesu, die Liebe Gottes und Gott selber lassen sich nicht beweisen, liebe Gemeinde. Aber wenn wir nur ein wenig über das Oberflächliche und Vorfindliche hinaussehen, lassen sich so viele Gleichnisse finden und so viele Hinweise auf die Liebe unseres Gottes. Augen auf und Ohren auf!

Zum Schluss noch etwas für's Osterlachen, der Osterwitz: Herr und Frau Huberschmidt sitzen bei der Osterpredigt in der Kirche. Der Pfarrer redet sonderbares Zeug von Raupen, Schmetterlingen und Marienkäfern. Plötzlich stößt Frau Huberschmidt ihren Mann an und flüstert: „Schau mal. Der Herr vor uns schläft!" Darauf Herr Huberschmidt vorwurfsvoll: „Aber deswegen brauchst du mich doch nicht zu wecken!"

Also aufwachen! Die Predigt ist aus. Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Amen.

Pfr. Norbert Heinritz am Ostersonntag, 16.4.2017 in der St. Georgskirche