Vieles kann ich genießen - Sonntagsbetrachtung vom 21.3 im Schwabacher Tagblatt

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  „Das Leben genießen.“ – antworte ich einer Bekannten aus der Gemeinde, auf die Frage, wie denn mein Fastenprojekt für die   Coronapassionszeit lautet. Auf ihre Frage war ich dann nicht gefasst gewesen. „Und was machst du da so?“ Vielleicht hatte sie auch gefragt, wie ich das mache.

„Erwischt“ – dachte ich. Manchmal kann man ganz wohlklingende Antworten oder Sätze in die Gegend sprechen, ohne, dass mein Gegenüber etwas damit anfangen kann. Für mich war es die Umschreibung dafür, dass ich mir in diesem Jahr nichts Besonderes vornehme, sondern einfach schaue, was passiert, ohne besondere Planungen, die dann eh nicht funktionieren.

Wir waren uns dann natürlich einig, dass das mit dem Leben genießen im Moment so eine Sache ist.

Vieles, was wir bis vor einiger Zeit aufgezählt hätten, was bei uns zum „Leben genießen“ unbedingt dazu gehört und wo wir das Leben besonders spüren, geht im Moment einfach nicht.

Ich sagte ihr dann, dass es für mich auch eine Frage der Haltung ist und gar nicht so sehr etwas, was ich dann tue. Ich wolle jeden Tag offen dafür sein, dass doch etwas Schönes passieren kann. Etwas, was mich durch den Tag bringt, etwas, das mir weiterhilft, etwas, das mir ein Lächeln auf das Gesicht zaubert, etwas, das mir zeigt, wie schön das Leben sein kann. Trotz alledem.

Und dass ich nicht nur dafür offen bin, sondern auch, dass ich schon in meinem Verhalten genau solche Momente auch anderen schenke.

Und in diesen Tagen erlebe ich das genau so. Ich bekomme eine nette Mail. Es liegt ein kleiner Gruß vor meiner Haustür. Es ruft jemand an und wir lachen gemeinsam. Viele intensive Gespräche fordern mich heraus, lassen mich aber auch viel Nähe zu Menschen spüren. Gerade auch in den Momenten von Tod und Abschied liegt oft viel Nähe. Und so manches könnte ich noch aufzählen. Es geschieht vieles, das mich aufleben lässt und das ich genießen kann.

All diese Dinge erlebe ich vielleicht auch intensiver, weil vieles andere gerade nicht geht. Aber mir bedeutet es sehr viel, mit Menschen, denen ich begegne, einen Moment der Nähe und Zuneigung oder Unterstützung zu teilen.

Ich merke, wie ich das brauche, und mir das gut tut und es gibt dann auch Menschen, die mir das auch sagen oder spüren lassen, dass ich ihnen gut tue. Die Fastenzeit ist schon sehr weit vorangeschritten. Wir gehen auf Ostern zu. Für mich das wichtigste Fest, denn: Wir feiern das Leben. Aber eben nicht einfach so, oder weil immer schon alles gut ist. Wir feiern das Leben angesichts von Dunkelheit und Todesmächten, von Angefochtensein und Verrat. Wir feiern das Leben angesichts von Perspektivlosigkeit und Existenzängsten. Das Leben und seine Umstände fordern uns nach wie vor immens. Das merke ich selbst, und erst recht in vielen Gesprächen. Und es gibt auch wenig oder keinen Ausblick, dass sich das in absehbarer Zeit ändert. Und allem zum Trotz will ich mir immer den Blick darauf bewahren, was hilfreich ist, die Situation auszuhalten. Oder für mich noch erstrebenswerter, das zu finden, um einen Schritt weiter zu gehen.

Die Aussicht auf Ostern, die Feier des neuen Lebens gehört für mich zu der ermutigenden und stärkenden Botschaft des Glaubens.  Das ist einer der Gründe, warum ich an meinem Glauben hänge. Alles Leiden ist begrenzt, auch wenn es manchmal gefühlt wie eine Ewigkeit dauert. Das Leben setzt sich durch. Immer. Gott segne Sie.

 

Pfarrerin Alexandra Büttner, Wendelstein