Am 9. April 1945 wurde Dietrich Bonhoeffer in Flossenbürg von den Nazis hingerichtet

Bildrechte beim Autor

Zwei Monate nach der Katastrophe von Stalingrad, am 5. April 1943 wird ein politischer Häftling in das Militärgefängnis Berlin-Tegel eingeliefert. Zwölf Tage lang öffnet sich seine Zelle nur zum Essensempfang und zum Ausleeren des Kübels mit der Notdurft. Den Grund für seine Verhaftung erfährt Dietrich Bonhoeffer erst ein halbes Jahr später. Es sind seine Kontakte zu Regimegegnern und zum Ausland: Als Geheimagent der Abwehr hat er Freunde aus der Ökumene über die Aktivitäten des deutschen Widerstands informiert. In der Zelle ist es kalt, Seife oder frische Wäsche gibt es nicht. Am nächsten Morgen wirft man dem Gefangenen durch die Türluke ein Stück Brot auf den Zellenboden. Nach einigen Tagen notiert der Häftling auf einem Zettel, wie ihm zumute ist: „Selbstmord, nicht aus Schuldbewusstsein, sondern weil ich im Grunde schon tot bin, Schlussstrich, Fazit. “Aber Bonhoeffer stirbt nicht. Er wird in einen anderen Trakt des Gefängnisses verlegt, darf Bücher und Schreibpapier bekommen und alle zehn Tage einen Brief abschicken. Was der Häftling Bonhoeffer in den nächsten anderthalb Jahren aus der engen, schlecht erleuchteten Zelle schmuggelt, auf Zettel kritzelt oder in den – zensierten – Briefen an seine Familie schreibt, geht in die Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts ein.

Zwischen Hoffnung und Todesangst redet Bonhoeffer mit einem Gott, der seine Menschen scheinbar verlassen hat. Diese Gespräche in den einsamen Tagen und Nächten bilden die Situation eines gottfernen Zeitalters ab: Sie werden zur Wegweisung für die Christen, die ihren Glauben auf dem schmalen Grat zwischen Treue und Verzweiflung zu leben versuchen und die Erfahrung machen, dass Gott schweigt und scheinbar nur noch der Teufel zuhört.

Man müsse heute in der Welt leben, „als ob es Gott nicht gäbe“, gibt der Häftling Bonhoeffer zu bedenken. Gott ist da in dieser Welt, aber nicht als majestätischer Herrscher, sondern als Leidender, ohnmächtig, dienend. Gott leidet mit seiner Welt mit, er gibt sich hin –und verwandelt damit die Not. Vor 70 Jahren, am 9. April 1945 wird der evangelische Theologe und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbürg zusammen mit anderen Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus hingerichtet. (Christian Feldmann)